Ich glaub, es geht schon wieder los!
Morgen früh noch im Sportboothafen von Douarnenez in der hintersten Ecke einparken, Wasser und Diesel tanken – dann wollen wir auch schon die Bretagne hinter uns lassen. Rund 35 Seemeilen nach Westen, um das für seine raue See berüchtigte Raz de Sein zu umfahren, dann scharf links – Kurs Süd! fast 400 Seemeilen über bis zu 4000 Meter tiefes Wasser. Die Biskaya wartet – mit Wellen, die schon viele Schiffe gefrühstückt haben. Ein großer Schritt für uns, der uns einiges an Mut abfordert.
Aber: erstmal zurückspulen.
Querung Nummer Eins
Unsere erste Ärmelkanal-Querung war geschafft! Vor den majestätischen Seven Sisters verbrachten wir eine Nacht und einen Tag vor Anker – herrlich. Doch der Wind fand, wir hätten genug geguckt. Also: Anker auf und wieder ab in die Nacht.
Mit mutwillig verkleinerter Segelfläche schaukelten wir durch schwarze Dunkelheit, um zur richtigen Tide die Sandbank vor dem Naturhafen Chichester zu erreichen.
Unter Deck: Hackewelle. Bewegung? Nur noch unfreiwillig. Ich (Helga) fluchte. Müde, durchgefroren, Fischerboote ohne AIS zickzackten wie betrunkene Glühwürmchen. Da wird die Seekoje im Salon zur Oase der Sehnsucht. Nur: Wenn man endlich rein darf, klappt das Einschlafen nicht – Teufelskreis deluxe.
Unsere kleine Liste der ersten Male
- Erstes Watt-Ankern in Chichester: Fünf Meter neben dem Boot war plötzlich Sand zu sehen. Unsere Rechnung und Messung sagt: alles schick, also ruhig bleiben und tief durchatmen.
- Durch den Solent: Tidennavigation, nächster Schritt – mit wachsender Begeisterung und einem nächtlichen Ankerplatz direkt vor den Needles.
- Race (gefährliche See bei bestimmten Bedingungen) bei den Needles: Äh, ja – nicht ganz so gut abgeschätzt, aber noch im grünen Bereich. Augen auf und durch.
- Statt St Albans Head (nächstes gefährliches Race): kein einschätzbarer Wind – also Kurswechsel zum 5-Freunde-Städtchen Swanage. Entgegen unserer Erwartung: hübsch, ruhig, leckeres Gemüse vom Markt.
- Sturmtaktik: Versteckspiel in der hintersten Ecke von Poole Harbour – war nett, aber unnötig. Der Wind kam dann doch nicht so böse. Dafür: erstes Ankern zwischen den unzähligen Mooringbojen.
- Langer Schlag nach Dartmouth (80 Seemeilen): Delfine, Wellen, 10 Knoten über Grund! Fuchur fliegt. Die Maßstäbe ändern sich – früher hätten wir uns bei den Bedingungen unwohl gefühlt, heute jauchzen wir.
- Dartmouth selbst: Ankern mitten im Hafen. Seit Texel haben wir keinen Hafen mehr angelaufen – nur Ankerplätze. Herausfordernd aber befriedigend – und meist kostenlos.
- Weiter den River Dart hoch bis Dittisham – dann nach Burgh Island, wieder vor Anker. Wir wären gern geblieben, aber das Wetter hatte andere Pläne.
Nächste Kanalquerung & französische Festspiele
Der Wind meinte es ernst – also früh los, durch die Dämmerung. Wieder Delfine! Eine weitere durchgeschaukelte Nacht auf See, und dann: Bonjour Frankreich! Wie sind wir nur so schnell so weit gekommen?
Unser spektakulärer Ankerplatz: Pen Hir – dramatisch wie ein Piratenfilm in 3D.
Camaret-sur-Mer haben wir durch das Hinterland zu Fuß erreicht (Kinderspiel, nur 3 km, wenn man sich an die Karte gehalten hätte und nicht hier und da noch schauen wollte).
Supermarktdiskussionen mit Händen und Füßen und ein wenig eingerostetes Schulfranzösisch später, ein halbgarer Lieferdeal und am Ende: Brot trocken, Crew nass, Einkauf unvollständig – dafür gibt’s unerwartete Winddreher gratis, die einen am Ankerplatz schonmal nervös machen können.
Müffelklamotten & Schwell-Wecker
Der Wind für die Biskaya war noch nicht ideal – also auf dem Weg zur nach Süden geschützten Ankerbucht ein erster Angelstop. Nach zwei Minuten: ein Pollack, reichlich für zwei Personen! Abends dann ein dramatischer Ankerplatz mit Gischt, Felsen und Atlantikschwell zum Anfassen – spektakulär, aber für Christian nicht besonders schlaffördernd.
Dann: Regen in Douarnenez. Historisches Flair, gute Dinghy-Landung (fast trocken) und ein paddelndes Vorbeischrammen an einer Hafenmauer, die für über 4,5 Meter Tidenhub gemacht ist – ein bisschen gruselig.
Ja, wir paddeln manchmal statt zu rudern. Vorwärts zu zweit ist nämlich viel effizienter – sagt Helga.
Inzwischen ist fast alles salzwasserberührt – und trocknet nur halb. Riecht wie ein Hafen bei Ebbe, nur näher. Wir müssen dringend waschen, aber entweder es ist kein Süßwasser übrig oder zuviel davon von oben, und wo trocknen?
Aber: um 2:45 Uhr wach werden, weil die gesamte Fischerflotte direkt an uns vorbeiknattert – unbezahlbar! Wer braucht schon Wecker, wenn das Meer dich persönlich anspricht?
Morgen geht’s los
Christian kocht gerade Nudeln, Eier und Reis vor. Sandwichbrot liegt bereit. Morgen früh noch tanken – und dann: Biskaya, wir kommen!
Wir melden uns. Hoffentlich nicht als Flaschenpost.




























