Hurra, die Ankerwinsch streikt beim Aufholen – also alles auf Anfang. Dabei war Fuchur schon segelfertig: Ankerball eingeholt, Badeleiter geborgen, Segel klar, Dinghy versorgt, alles seefest verstaut und ich hatte schon die Furlerleine und die Schot für das Einhand-Anker-Auf-Unter-Segeln-Manöver in der Hand. Stattdessen kommt am Steuerstand über unsere Walkie-Talkies aus dem Bug an: „Die Ankerwinsch streikt!“ Also Fehlersuche. Lieber hier in der Bucht, wo wir auf moderater Tiefe ankern, als später von Hand aus 15 Metern Tiefe aufzuholen. Wir vermuten den Fehler in der Elektrik und haben schon durchgemessen. Chris schraubt also gerade das Relais auseinander, ich nutze die gewonnene Zwangspause – endlich Blogzeit!
Ein Blogbeitrag ist für uns mehr als ein Reisebericht. Er ist wie eine kleine Zeitkapsel: innehalten im Fluss des Erlebens, sortieren, sichten – was war bedeutsam? Was erzählenswert? Für euch Leser:innen ist es vielleicht ein Blick hinter die Kulissen des Segelns, für uns ein Spiegel, der hilft, das Erlebte zu greifen.
Aber genau das ist oft schwierig. Ich wollte schon vor gut einer Woche anfangen zu schreiben – da kam er, der Regen-Blackout. Kreativ lähmend. Immerhin: ein paar Stichworte habe ich gerettet, die ich jetzt um eine weitere Woche voller Eindrücke und Erlebnisse ergänze.
Es war eine dieser Nächte. Schwell. Mücken. Obwohl wir den Ankerplatz sorgfältig gewählt hatten, um möglichst wenig Atlantikdünung abzubekommen. Um sieben klingelt der Wecker. Wettercheck noch im Bett: Regen – war so nicht angesagt. Wenigstens stimmt der Wind.
Chris ist zuerst wach, macht Kaffee. Dann Tagesplanung: Plan A, B, C – je nachdem, was Wetter, Boot und Tagesform zulassen. Plötzlich höre ich sein zögerliches, dann dringlicheres: „Helga, hier stimmt was nicht!“ – Was denn jetzt schon wieder?! Kann man das nicht gleich genauer sagen?
Ich stürze (so schnell es eben geht) aus der Vorschiffskoje. Rieche es sofort: Verhängnis. Unsere Powerstation qualmt. Obwohl sie ausgeschaltet ist. Mit vier Händen trennen wir schnell alles vom Solarnetz und bugsieren es ins Cockpit. Schnell eine Plane drüber gespannt, denn es darf ja auch nicht nass werden. Minuten später ist das Boot gelüftet. Aber wir sind erst mal stromlos. Kein Ofen, keine Mikrowelle, keine Induktion, kein Wasserkocher – kein „Buletti“ mehr, wie wir unsere geliebte Küchenhilfe nennen, weil sie uns Buletten, Kaffee und Co. zubereitet.
Also: kühlen Kopf bewahren. Mails an Händler und Hersteller, Garantieanfrage. Ob der Support wohl funktioniert ohne feste Adresse und bei unklarer Erreichbarkeit? Einschicken? Undenkbar. Warten? Auch keine Option. Wenigstens läuft der Gaskocher noch – der Kaffee ist gerettet. Danach: aufräumen, putzen, Alltag eben.
Dann schnell noch ein paar Dinge klären: deutscher Behördenkram, Ersatzteile recherchieren – etwa die AIS-GPS-Antenne, die uns seit dem Ärmelkanal fehlt (weshalb wir auf Vesselfinder und Co noch immer bei den Needles festhängen ;-).
Essenszeit. Derzeit: Schlabbertoast. Das gute „Pan Barre“ ist alle.
Vielleicht einkaufen? Mit dem Dinghy an Land paddeln? Man versucht, einen Nachmittagsplan zu fassen – und später, endlich, sitze ich im trockenen Cockpit, bereit zu schreiben. Motiviert. Und dann… brodelt das Wasser.
Riesige Schwärme kleiner Fische – Sardinen, denke ich – tanzen ums Boot. Ich MUSS hinschauen. Lange. Natürlich. Ich nenne es jetzt meditatives Sardinen-Starren – sehr entschleunigend.
Wieder hingesetzt. Nächste Naturbühne. Ich springe auf, will es sehen, festhalten – und schon ist der Schreibmoment wieder dahin.
Am Abend zum Hochwasser – das hier ganz ohne Uhr funktioniert – wird’s wilder. Delfine jagen bis kurz vor den Strand. Fischer setzen ihre Reusen aus – hoffentlich nicht über unsere Ankerkette, die wir morgen bergen wollen. Morgens ganz früh holen sie die Körbe direkt neben unserem „Schlafzimmerfenster“ wieder ein.
Gestern waren da Muscheltaucher. Stundenlang. Mit langen Pressluftschläuchen, direkt neben dem Boot. Klar stören wir irgendwie. Und doch: freundlich, rücksichtsvoll. Danke!
Wir hoffen immer noch auf frische Muscheln vom Markt oder Hafen. Bisher hat’s nie geklappt – Markt schon vorbei oder Rückweg zu lang. Ohne Kühlung keine gute Idee. Essen gehen? Nicht unser Stil.
Es passiert einfach zu viel. Immer. Und das erschwert es, über Vergangenes zu schreiben. Deshalb heute – als Versuch, alles zu sammeln – in Stichworten die 30 Tage seit der Biskaya:
Cedeira: Ankunft nach der Überfahrt. Rummel (Kirmes). Spaziergang in den Hügeln – fast wie Schottland. Regenwasser gesammelt – das Auffangsystem auf Bimini und Dodger funktioniert! (Dazu später mal mehr.) Wäsche gewaschen.
Ferrol (Castell San Felipe): Vor Anker. Erste Mückenplage. Kreuzfahrtschiff zum Anfassen nah. Schlepper machen Wasser-Feuerwerk. Castellbesuch: frei zugänglich, leer, 4 Katzen und ein paar Arbeiter beim Wiederaufbau. Ein Traum von Abenteuerspielplatz!
Redes: Allein am Ende der Ría. Langer, lohnender Fußmarsch nach Pontedeume.
Mera (bei A Coruña): Busausflug. Rückfahrt fällt aus wegen Triathlon. Busfahrer ignoriert uns – Sprachbarriere. Andere Spanier helfen mit Händen, Füßen, Google Translate. Dann Rückfahrt wenigstens einen Teil der Strecke, die letzten Kilometer zu Fuß, schwer bepackt. Ein netter Spanier zeigt uns seinen „geheimen Weg“.
Camariñas: Delfine direkt neben dem Ankerplatz. Wasser in Kanistern geholt (5 Mal mit dem Dhingy zum Strand). Wanderung in die Flussmündung, Stadtspaziergang, Küstenwanderung zum Kap. Wow!
Kap Finisterre: Ums „Ende der Welt“ gesegelt und später auch gewandert. Viel Wind. Busausflug nach Fisterra. Wir fallen mit unseren schweren Einkaufsrucksäcken zwischen den Pilgern gar nicht auf und hören oft den Gruß „bon camino“. Hier ist schließlich das Kür-Ende des Jakobsweges. Hat diesmal alles geklappt. Wir haben das mit der Busfahrerkommunikation auch extra vorher nochmal geübt. Basteltag an Bord.
Ría Muros – Aguieira: Erst in Esteiros geankert, dann nach Aguieira verlegt – besserer Windschutz. Reusenfischer, Dinghy-Ausflüge, Muscheltaucher. Nächtlicher Regen. Routenplanung bei Nieselwetter. Chris montiert endlich die Scheibenverschlüsse am Dodger richtig. Dann nochmal Ankerplatz gewechselt: Abelleira – Aguieira – hin und her, wegen Wind und Böen.
Pfingsten: Heiß! Jetzt hat auch Helga angebadet. Gleichzeitig: Thema Sonnenschutz & Mückenschutz. Wir basteln weiter an Patentlösungen und improvisieren auf hohem Niveau.
galizien zeigt sich landschaftlich vielfältig: Norwegen in warm, Alpenseen mit Bushaltestellen zum Atlantik.
Bis gestern ankerten wir vor einem fast menschenleeren Traumstrand, aber der stürmische Südwind (knapp 30 Knoten) hielt uns an Bord. Der Anker saß gut – auch die imposante Gewitterfront mit von Dauerblitzen rot erleuchteter Atmosphäre in der Nacht hat er tapfer ausgehalten – aber allein lassen wollten wir das Schiff nicht. Andere Boote kamen dazu, deren Anker eventuell nicht so zuverlässig halten. Kollisionen? Möglich. Bis vor Kurzem waren wir fast überall allein. Jetzt kreuzen sich die Wege mit anderen Seglern – dieselbe Route, derselbe Wind. Man trifft sich wieder oder sieht sich auf dem AIS.
Und dann – endlich: Angellizenz! Nach stundenlangem Recherchieren, Lesen, Verstehen, Durchklicken. Spanische Behördenwebseiten, Foren etc.. Ich fühle mit jedem, der der deutschen Sprache nicht oder nur wenig mächtig ist und z.B. versucht, in Deutschland einen Bauantrag zu stellen, um den Vergleich zu meinem alten Job zu ziehen 😉 Letztendlich war es halb Englisch, halb Spanisch über die katalonische Fischereibehörde online möglich, statt wie offiziell üblich x Kopien von x Formularen persönlich vorzulegen. Jetzt hoffen wir auf den ersten maßigen Fang. Muscheln dürfen wir nicht selbst sammeln – macht aber Sinn: Schutz der natürlichen Bänke.
Wir recherchieren viel. Beobachten, lernen, leben im Rhythmus von Wind, Wetter und Alltagsaufgaben.
Und abends, wenn der Kopf einfach zu voll ist, gibt’s eine Folge Game of Thrones im abgedunkelten Schiffsinneren. Reset. Mückennetze anbringen. Jagd auf die kleinen Biester. Und dann: pure Dankbarkeit.
Mit oder ohne Strom – früher ging’s schließlich auch. Jetzt erstmal schauen, wo es Gasnachschub gibt. Gut, dass wir den Gasherd behalten haben.
Ach ja: Wir kämpfen immer noch mit der Zeitzone. Sonnenaufgang um 7 fühlt sich nicht wie kurz vor 5 Uhr an. Dieses von uns geliebte frische Frühaufstehergefühl fehlt. Aber dafür – das spüren wir in jeder Bucht – ist Galizien einfach monumental schön.
Wir genießen die Tage. Die Nächte. Den Wind. Und das Leben auf Fuchur.
Wir haben den Fehler im Ankerwinsch-Relais gefunden und behoben (elektrische Kontaktschwierigkeiten). Dann kann es also jetzt weitergehen.
Wir melden uns!
Helga und Chris








































Schön, dass es Euch gut geht und immer noch gefällt.
Danke, dass Ihr uns mit auf die Reise nehmt.
Ein sehr spannender Reisebericht! Ich freue mich auf mehr…
Und: Juhu, ihr seid wieder sichtbar!